Zu Jahresbeginn 2020 freuten wir uns auf überdurchschnittlich viele und sehr spannende Beteiligungsprozesse. Ab März war Umdenken gefordert. Wie klappt’s mit der Onlinebeteiligung? Ein Rückschau auf den Sommer.
Im März wurden zunächst alle beauftragten und teilweise bereits vorbereiteten und öffentlich angekündigten Beteiligungsveranstaltungen abgesagt. Zunächst galt es einen kühlen Kopf zu bewahren und zusammen mit unseren kommunalen Auftraggebern rasch nach kontaktlosen Alternativen für bereits begonnene Projekte zu suchen. Videokonferenzen und Onlineworkshops funktionierten schnell sehr gut im fachlichen Austausch – für die breite Bürgerbeteiligung galt es jedoch den digitalen Werkzeugkasten systematisch zu erweitern. Wir haben uns für Kombinationen mit klassischen Formaten entschieden und unsere Kunden entsprechend beraten können.
So wurde bei der integrierten Konzeptplanung für Frechen-Bachem – ein Projekt des Stadtumbaus – anstelle eines bereits geplanten Dialogforums vor Ort eine Befragung aller Haushalte im Quartier durchgeführt. In der Projektphase ging es zunächst um eine Analyse von Stärken, Schwächen und Chancen in einem definierten Stadtraum. Dieses Ziel ließ sich mit einer postalischen Haushaltsbefragung und einem zeitgleich veröffentlichten Online-Fragebogen sehr gut erreichen. Die zumeist älteren Zielgruppen im Ortsteil fremdeln entgegen einiger Erwartungen nicht mehr mit digitalen Formaten – die meisten Rückläufe kamen über die Onlinebefragung.
Beim Stadtentwicklungskonzept für die Stadt Werdohl im Sauerland war noch genug Vorlauf, ein raumbezogenes digitales Werkzeug zu konzipieren. Als Unterstützung im Ideenfindungsprozess mit den Bürgern diente eine webbasierte Karte, die eingehenden Beiträge wurden von uns moderiert. Auch hier gab es eine kombinierte Kampagne aus Print- und Onlinemedien um die Angebote zu bewerben, die von den Bürgern in der Coronazeit gut angenommen und intensiv genutzt wurden.
Entgegen mancher Bedenken wurde der so angeschobene Netzdialog sehr sachlich und konstruktiv geführt. Als Ergebnis ergab sich eine präzise Verortung der Projektideen und jede Menge Hinweise auf der digitalen Karte. Das hat auch den Blick im Kreise der eingebundenen Fachakteure geweitet und ergänzt das gewünschte strategische Zukunftskonzept damit sinnvoll.
Bei Konzepten der energetischen Stadtsanierung pflegen wir bei vielen Gelegenheiten die Zusammenarbeit mit dem Düsseldorfer Marktforschungsinstitut Innofact. Die Markspezialisten bieten digitale Online-Panel-Befragungen an, um Nutzerpräferenzen ausgewählter und möglichst repräsentativer Zielgruppen zu erfassen. Trends für Zukunftsprojekte in Stadtentwicklung, Klimaschutz und Energiewirtschaft lassen sich so gut ermitteln. Alles kontaktlos und auf Wunsch auch anonym.
Für den Expertendialog in interdisziplinären und interkommunalen Projekten experimentieren wir aktuell mit hybriden Präsenz- und Onlineformaten sowie mit webbasierten Planspielen.
Als Zwischenfazit nach dem Sommer lässt sich eines sicher festhalten: Die Nutzung digitaler Werkzeuge hat auch bei vielen Kommunen sehr schnell in der Praxis Einzug gehalten. Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv. Es ist jedoch deutlich zu unterscheiden, welche Art von Kommunikationsprozess in einem Projekt in welcher Phase und mit welcher Zielgruppe ansteht. Danach sind die Werkzeuge individuell und fachlich abgewogen zusammenzustellen. Nicht jedes Tool ist für jede Projektphase geeignet. Augenmaß ist auch hier geboten.
Der Einsatz von Werkzeugen im digitalen Bürgerdialog hat in den letzten Monaten in jedem Fall dazu beigetragen, die laufenden Stadtentwicklungsprozesse sicher und erfolgreich durch die Krise zu bringen. Wir erleben, dass praxisgerechte und manchmal auch pragmatische Lösungen in der Krise das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre lokalen Akteure gestärkt hat. Das ist die gute Erfahrung des Sommers.
Und für uns ist klar: Wir wollen wieder raus zu den Menschen in die Quartiere. Das persönliche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen.