Prima.Klima.Ruhrmetropole.

Acht Konzepte für acht Kommunen liegen vor und das Sanierungsmanagement in den Quartieren hat begonnen. Bis 2029 geht es nun auch um interkommunale Zusammenarbeit.

Mit dem interkommunalen, ruhrgebietsweiten Projekt des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBD) sollen bis 2029 acht experimentelle und innovative Energiequartiere in der Metropole Ruhr entstehen. In einer ersten wettbewerblichen Runde haben sich die Städte Bottrop, Gelsenkirchen, Essen, Duisburg, Hagen, Lünen, Oberhausen und Xanten erfolgreich qualifizieren können.

Aus den vielfältigen, über eingereichte Projektskizzen vorgedachten Ideen, Untersuchungsergebnissen und Vorarbeiten konnten wir in einem interkommunalen Dialog acht Quartierskonzepte profilieren. Im Prozess haben sich drei Fokusthemen dargestellt: Klimafolgenanpassung und Mobiliät zur Verbesserung des öffentlichen Raums, die Dekarbonisierung der Netze als gemeinsame Infrastrukturaufgabe und die Wohnungswirtschaft in vier Kategorien vom Umgang mit Problemimmobilien, über Bestände mit Identitätswert bis zu alternden Einfamilienhausgebieten. Alle acht Kommunen zusammen sollen mit ihren experimentellen Energiequartieren im Ruhrgebiet, modellhafte und übertragbare Umsetzungsprozesse gestalten. Dazu ist jetzt Zeit bis 2029 und die Konzepte bilden die Grundlagen dafür.

Klimafolgenanpassung und Mobilität

Die Anpassung an Klimafolgen in öffentlichen Verkehrsräumen kann gut mit Verbesserung der Mobilität zusammengehen. Das liegt auf der Hand und die Resilienz und Lebensqualität urbaner Räume ist städtebauliches Anliegen und kommnale Aufgabe. In den Freiräumen insgesamt – ob öffentlich oder privat – geht es darum, Maßnahmen zur Prävention von Überflutungs- und Überhitzungsrisiken umzusetzen. Multifunktionale Grün- und Freiflächen sowie die Entsiegelung von Straßenräumen sind das Ziel öffentlicher Akteure. Gebäudebegrünung und Entsiegelung von Grundstücken betrifft private Nutzer. Für klimaresiliente Mobilitätsinfrastruktur sind zusätzlich Kooperationen mit privaten Dienstleistern nötig. Der Prozess zeigt, dass die Bedeutung des Zusammenwirkens öffentlicher und privater Maßnahmen durchaus zu vermitteln ist. Die reine Prävention von Überflutungs- und Überhitzungsrisiken betrifft regelmäßig öffentliche Straßenräume. Die Notwendigkeit und Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen ist allseits erkannt und u.a. Gegenstand der Fördermaßnahmen KRiS NRW. Diesen Weg gehen die Umweltverwaltungen der Kommunen durchweg. Multicodierung und Umnutzung von öffentlichen Flächen erfordern experimentelle Umgang und innovative Ansätze in der Anwendung von Bau- und Planungsrecht. Dazu kann der interkommunale Austausch ebenfalls helfen.

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Klimawirksamkeit der Flächen im Quartier Essen Katernberg-Beisen. Der ehemals durchgrünte Zeilenbau der Nachkriegsmoderne zeigt auch Erneuerungsbedarf in den Freiräumen. (Grafik. Jung Stadtkonzepte)

Eine Neugestaltung von Straßenräumen betrifft die Fachämter Verkehr bzw. Tiefbau. Es gilt die Chance zur Entsiegelung von Flächen und neuer Mobilitätsinfrastruktur (Radverkehr, Car- und Bike-Sharing) zu verbinden. Hier zeigt sich Dialogerfordernis innerhalb der Kommunen. Der interkommunale Dialog kann und soll dazu Rahmen und Anreiz bieten. Im Dialog wird die Hoffnung formuliert, dass Angebote zur Mobilitätsinfrastruktur die schnelle Sichtbarkeit von Maßnahmen im öffentlichen Raum unterstützen und sich als Reallabore in den Quartieren anbieten.

Gebäudebegrünung zur Pufferung von Temperaturextremen richtet sich an private Eigentümer und gehört in den entsprechenden Bürgerdialog des Sanierungsmanagements vor Ort. In den Konzepten wird empfohlen, über interkommunale Zusammenarbeit, gemeinsame Qualitäten einer Ruhrmetropole abzustimmen. Das wird Teil des nun laufenden Prozesses sein. Allgemein wird es erforderlich sein, Finanzierungsoptionen mit privaten Eigentümern und Unternehmen als zielgerichtete Ergänzung öffentliche Förderung zu zu sehen und zu kultivieren. Die Entwicklung und Anwendung neuer Finanzierungsansätze wird nötig sein, weil öffentliche Förderung allein nicht reichen wird.

Dekarbonisierung der Netze

Der Kern des Projekts Prima-Klima-Ruhrmetropole ist, dass bis 2029 acht innovative Energiequartiere in der Metropole Ruhr entstehen sollen, die Lösungen aufzeigen, Wärme und Strom aus lokal erneuerbaren Energien zu beziehen. Ein Fokusthemenworkshop im August 2024 zeigte, dass dieses Ziel eine Umstellung auf einen dezentralen „Prosumer-Markt“ und die Integration erneuerbarer Energien für Wärme und Strom bedeutet. Das Ziel: Ausstieg vom Gas als Energieträger. Wenn das gelingen soll, bzw. in den nächsten fünf Jahren die erforderlichen Weichen dazu gestellt werden sollen, dann erfordert es die systematische Zusammenarbeit von Kommunen, Versorgungswirtschaft, Wohnungswirtschaft und zivilgesellschaftlichen Initiativen. Im Fokusthemenworkshop steht die Forderung im Raum, eine interkommunale Kooperation solle eine Art Energieleitplanung strategisch in Angriff nehmen und das Zusammenwirken der Wohnungs- und Versorgungswirtschaft koordinieren. Das kann und solte über konkrete Projekte gehen.

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Die gründerzeitlichen Blöcke in Hagen Wehringhausen bieten zusammenhängendes Projektpotenzial. Die Strategie der Stadt Hagen, die Blöcke als Projekebenen anzugehen, hat sich in der Konzeptphase als besonders tragfähig herausgestellt. (Grafik: Jung Stadtkonzepte)

Zunächst wird es eine Aufgabe des Sanierungsmanagements und der kommnalen Akteure sein sein, die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und Versorgungsunternehmen über das Projekt Prima-Klima-Ruhrmetropole überhaupt systematisch herzustellen. Wenn es dann um konkrete Projekte geht, die von den Kommunen im Zuge der Skizzen vorgeschlagen und im Konzepte bwertet wurden, dann brauchen die Projektentwicklungen in den Quartieren beratende Unterstützung. Ein Format „Wissenstransfer“ liefert die Basis, kann jedoch nicht in die Tiefe gehen. Weiter gilt es die Kommunale Wärmeplanung lokal zu integrieren. Ein Förderbeirat auf Landesebene birgt die Chance, die Entwicklung einer gemeinsamen Finanzierungs- und Förderstrategie für Modellvorhaben zu unterstützen. Entscheidend wird sein, wie und ob es nun im laufenden Prozess gelingt, eine experimentelle Erprobung neuer technischer Konzepte und Kooperationsmodelle beratend zu unterstützen. Geeignete Projekte in Kommunen mit Potenzial sind vorhanden, es braucht jedoch den nachhaltigen Mitwirkungswille der lokalen Akteure, den eine Kommunalverwaltung nicht immer allein herstellen kann. der Aufbau eines interkommumnalen Akteursnetzwerks soll hier Chancen eröffnen.

Wohnungswirtschaft

Die Quartierserneuerung erfordert nicht nur energetische Modernisierung, sondern auch die Sicherung und Entwicklung bezahlbaren Wohnraums und den Erhalt identitätsstiftender Gebäudebestände im Quartier. Zudem müssen Lösungen für Problemimmobilien, alternde Einfamilienhausgebiete und verdichtete, teils denkmalwerte Bestände gefunden werden. Die Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Wohnungswirtschaft und lokaler zivilgesellschaftlichen Initiativen ist auch hier entscheidend. In den Projektskizzen wird vielfach die Hoffnung formuliert, dass serielle und modulare Bauweisen die Sanierung von Quartieren erleichtern. In den Konzepten wird das differenziert und die systematische Identifizierung technisch geeigneter Bestände und ein Zusammenführung technischer und wohnungswirtschaftlicher Daten empfohlen. Das Datenlage des Klimaatlas NRW hat sich insgesamt als unzureichend und vielfach fehlerhaft erwiesen. Ferner wird empfohlen, die Zusammenarbeit nicht allein mit lokalen Akteuren der Wohnungswirtschaft zu suchen, sondern auch ganz gezielt mit der Bauwirtschaft.

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Xanten Hochbruch: Einfamilienhausstruktur, mehrheitlich private Eigentümerc, deutlich erkennbare Überalterung, kaum öffentlicher Raum. Die wesentliche Aufgabe der Kommune ist der systematische Dialog mit den Eigentümern. Eine „Wohnbörse“ als Maßnahme der Städtebauförderung soll Chancen eröffnen, alte Eigentümer und junge Wohnraumsuchende zusammenzubringen. (Grafik: Jung Stadkonzepe)

Wohnungswirtschaft ist jedoch sehr differenziert und in die einzelnen Quartiere haben individuelle Voraussetzungen und Schwerpunkte. Gelsenkirchen und Hagen kümmern sich seit Jahren um sogenannte Problemimmobilien in Quartier. Zur deren Sanierung, Rückbau und Ersatzneubau braucht es ein erweitertes Portfolio tragfähiger Nutzungskonzepte. Hier ist der interkommunale Austausch besonders hilfreich. Es besteht Einigung darüber, dass die Umsetzung modellhafter Projekte zur Inwertsetzung von Problemimmobilien mit der Förderung von Architektur, Städtebau, energetischer Erneuerung und sozialer Qualität einhergehen muss.

In alternden Einfamilienhausgebieten hingehen ist zunächst die Entscheidung zwischen Konservierung und Urbanisierung abwägend zu treffen. Deutlich betroffen ist Xanten und in Bottrop zeichnet sich eine solche demografische Entwicklung ab. Eine Veränderung durch Urbanisierung ist ist eine große kommunalpolitische Herausforderung durch der ein Stadtumbauprozess, der durch den Einsatz von Gebietsmanagern zu begleiten wäre.

Im Fokusthemenworkshop zeigte sich, dass die Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Versorgungswirtschaft und zivilgesellschaftlichen Initiativen nötig ist und serielles Sanieren die Kooperation um die Bauwirtschaft nahelegt. Daher soll die Deutsche Fertigbauindustrie im im interkommunalen Netzwerk dabei sein. Das Netz lokaler Wohnungsmarktakteure sollte auch auf die Entwicklung gemeinsamer Qualitätsstandards setzen und auf eine städtebaulicher Zielplanungen hin arbeiten. Der interkommunale Austausch sollte als Katalysator begriffen werden. Dazu gehört auch die Formulierung des erforderlichen Rechtsrahmens für das jeweilige Quartier als Experimentierraum durch entsprecehnde politische Beschlüsse.