Der Transformationsprozess in Sennestadt war als deutscher Beitrag Thema bei der Tagung des Deutsch-Österreichischen URBAN-Netzwerkes am 29. und 30 Juni in Wien
Die 76. Netzwerktagung des Deutsch-Österreichischen URBAN-Netzwerkes widmete sich Lösungsansätzen quartiersbezogener Maßnahmen zur Dekarbonisierung in Österreich und Deutschland. Für Deutschland berichtet Bernhard Neugebauer, Geschäftsführer der Sennestadt GmbH von den Erfahrungen mit dem Klimaquartier Sennestadt und von der Entwicklung des Schillinggeländes von der Industriebrache zur Klimaschutzsiedlung. Östereich thematisiert am Beispiel der Stadt Wien den notwendigen Ausbau der technischen Infrastruktur mittels Großwärmepumpe. Es geht jeweils um die Transformation der technischen Infrastruktur für erneuerbare Energien als Aufgabe kommunaler Daseinsvorsorge. Eine Quartiersstrategie und eine Strategie des Ausbaus technischer Infrastruktur im Diskurs. Es braucht beides!
Eine erfolgreiche Energiewende, und die Vorsorge für eine klimafreundliche Energieversorgung etabliere sich zunehmend als Kernaufgabe von Kommunen und Ländern, so die Tagungseinladung. In dem Themenfeld stecke jedoch ein „Brisanz“, die sich auch auf europäischer Ebene zeige. „Brisanz“ ist eine schöne Umschreibung für die dicken Bretter, die es trotz spürbarem Willen auf kommunaler Ebene immer noch zu bohren gilt. Die einschlägig bemühten, einfachen Bilder einer Energiewende mit selbst versorgenden Einfamilienhäusern, deren Besitzer sich mit Fördermitteln ködern lassen, zeigen sich fern jeder Realität. Kommunen und auch deren Stadtwerke fehlt es in der Breite weiter an konsequenten Strategien zur technischen Transformation der Infrastruktur und insbesondere zur Vermittlung eines neue Zukunftsversprechens für eine klimagerechte Energieversorgung. Kommunale Akteure auf einen solchen Weg mitzunehmen, ist mühsame Arbeit in aufwendigen Transformationsprozessen. So war es auch im Bielefelder Stadtteil Sennestadt, den wir nun seit 13 Jahre begleiten.
Bernhard Neugebauer berichtete in Wien über den langen Weg der historischen Modellstadt der Nachkriegsmoderne zum Klimaquartier und Stadtlabor. Neben dem Stadtumbauprozess, der seit 2008 zunächst als „Stadtumbau West“ und später als „Soziale Stadt“ das Rückgrat der vielfältigen Projekte bildet, ging es um das Konzept zur energetischen Stadtsanierung, die Strategie zum Aufbau von Netzinfrastruktur, um die Farben der Sennestadt als erfolgreiches Beipsiel für Identifikationsanker, das Forschungsprojekt MobiliSta zur Aktivierung multimodaler Mobilität und natürlich um die Klimaschutzsiedlung.
Wir begleiten diesen Transformationsprozess der historischen Sennestadt seit Herbst 2010 in verschiedenen Projekten mit unterschiedlichen Auftraggebern, aber wesentlich als Berater der Sennestadt GmbH. Die stadtteilgezogene Siedlungsgesellschaft ist eine einzigartige Chance, notwendige temporäre Prozesse handlungsorientiert zu koordinieren. Und in der Tat lässt sich an der Entwicklung des Klimaquartiers Sennestadt sehr gur ablesen, dass notwendiges Voranschreiten, Chancen ergreifen und sich als Motor der Transformatioen aufstellen, nicht ohne Risiken ist. Modellprojekte haben leider die Eigenart, etwas zu verändern, Beweglichkeit einzufordern, etwas Mut zu erwarten und ein hohes Maß an Sacharbeit und fachlichem Wissen abzuverlangen: Das gefällt nicht jedem lokalen Akteur. So haben neue Wege immer „Brisanz“. Für die beweglichen, mutigen, fachlich versierten Akteure in Sennestadt und bei der Sennestadt GmbH gab es viel Lob in Wien.
Weil sich viel KnowHow angesammelt hat und aktuelle Anlässe es nahelegen, werden wir in den nächsten Monaten versuchen einige Etappen aus 13 Jahren Transformation der Sennestadt aufzuarbeiten und näher zu beleuchten. Wir möchten mit Wegbegleitern gemeinsame Erfahrungen publizieren, die nicht in den Papieren und Berichten stehen. Die individuellen, wehr wertvollen und vielfältigen Erfahrungen in Sennestadt wollen wir sichern, nach übertragbaren Mustern durchkämmen und dem öffentlichen Diskurs zuführen.
Mit dem Beginn des Entwurfsprozess zur Entwicklung des Schillingeländes soll es losgehen. Planen unter öffentlicher Beobachtung und dem Anspruch „Reichow für das 21. Jahrhunderts“. Wie ist es damals gelungen, Politik, Zivilgesellschaft und auch fachlich versierte Zeitzeugen und Wegbegleiter Reichows in breiter Mehrheit hinter ein Konzept zu bringen und was konnte davon wie durch den Aushandlungsprozess in die Gegenwart gerettet werden? Danach beleuchten wir den Weg von einem Konzept zur Energetischen Stadtsanierung (KfW 432), von der Einrichtung der temporären Kooperationssstrukturen über Projekte des Sanierungsmanagements bis zum politischen Beschluss zum Klimaquartier Sennestadt. Zum Thema Brisanz versuchen wird zu erkären, warum Sennestadt heute immer noch keine Stadtbahn hat, welche Pläne es für eine Moschee gab und warum es dann ein Industriegebiet wurde. Wir möchten das erfolgreiche Konzeptvergabeverfahren für Siedlungspartner im Detail erläutern und warum wir mit den Fertigbauunternehmen glücklich sind. Wie haben wir die Qualitätssicherung gelöst? Was waren die Voraussetzungen und wie stellt man gemeinsam ein eigenes Finanzierungsmodell für Einsteigerfamilien auf die Beine. Wir wollen auch über die unveröffentlichte Akteursanalyse im Forschungsprojekt MobiliSta berichten, und die besondere Rolle des kommunalen gemeinnützigen Unternehmens Sennestadt GmbH als zentraler Akteur für den Transformationsprozess. Wir laden allen beweglichen, mutigen Akteure ein, daran mitzuwirken.
.