Unsicherheiten im deutschen Energierecht bremsen modellhafte Wohnungsbauprojekte mit erneuerbaren Energien aus.
Im November 2024 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass der Begriff „Kundenanlage“ im deutscher Energiewirtschaftsgesetz nicht mit europäischem Recht vereinbar sei. Mit einer „Kundenanlage“ nach deutschem Recht wäre die Möglichkeit verbunden, sich den Pflichten eines Netzbetreibers zu entziehen und dies schränke den europäischenWettbeswerb ein. Der Bundesgereichtshof hat sich im Mai 2025 diese Auffassung im Kern aufgegriffen und entschieden, dass eine Energieanlage nur eine rechtskonforme Kundenanlage sein kann, wenn sie kein Verteilnetz darstellt. (die Bundesnetzagentur informiert hier darüber)
Was interessiert das in der Stadtentwicklung?
Jeder Stadtplaner der davon redet, zeichnet oder schreibt, dass in Zukunft in einer Siedlung, einem Block oder in einem Quartier der Strom für Haushalte, Wärmepumpen und Elektromobilität aus lokal erzeugten erneuerbaren Energien kommen soll, wird sich mit dem deutschen Energierecht auseinandersetzen müssen – zumindest wenn es nicht bei Prosa bleiben soll und er seinem Kunden eine seriöse Strategie aufzeigen will. Der Antrieb ist die Vorstellung, dass zwischen Gebäuden unterschiedlicher Eigentümer in Nachbarschaften lokal erzeugter Strom verteilt werden soll. Davon reden oder träumen Energiekonzepte im Quartierszusammenhang. Wenn wir das wollen, brauchen und haben wir ein Veteilnetz – egal ob als Stadtwerk, privater Investor, Eigentümergemeinschaft oder als allseits beliebte Bürgerenergiegenossenschaft. Das betrifft auch zunehmend gewollten Mieterstrom, wenn es um mehere zu vernetzende Gebäude geht. Die Eigenschaft der Kundenanlage bot die Möglichkeit, situations- und projektbezogene Regeln für die Verteilung und Abrechnung von Strom in einem begrenten Areal aufzustellen. In der Praxis ging es wesentlich um ein Vermeiden der sogenanten doppelnten Netzwentgelte für eingespeisten und bezogenen Strom innerhalb dieses Netzes. Ein wesentlicher Faktor für die Wirtschaftlichkeit dieser Quartiersnetze und damit auch im Sinne des Verbrauchers. Für die wichtigen Lieferverträge spielte der Begriff weniger eine Rolle.
Wie ist das nun einzuordnen?
Der Stadtplaner konsuliert in solchen Fällen einen seiner wichtigsten „Fachplaner“, den Juristen. Zunächst die übliche Erkenntnis: Es gibt mehr Unklarkeit als Klarheit. Das Deutsche Energierecht gilt erstmal weiter so wie es ist, der Gesetzgeber ist jetzt am Zuge, für die notwendige Klarheit zu sorgen. Nicht für jedes Projekt ist die Anwendung des Begriff „Kundenanlage“ am Ende relevant. Riskoreich wird es eher für Unternehmen der Wohnungswirtschaft, die mehrere Wohnblöcke auch über öffentliche Flächen hinweg vernetzen möchten . Wenn ein lokales Stadtwerk an einem Projekt als Netztbetreiber konstruktiv mitwirkt oder gar unmittelbar beteiligt ist, lassen sich gangbare Wege finden. Das wirtschaftliche Problem bei der Strompreisgestaltung wird sich durch veränderte Regeln zu Netzentgelten, wie im Koalitionsvertrag versprochen ohnehin neu darstellen.
die Angst vor dem Risiko
Ärgerlich bei rechtlicher Unsicherheit sind die damit gestiegenen Risiken, die aktuell dazu führen, dass Investoren und Stadtwerke neue Projekte mit strombasierten Siedlungsenergiekonzepten kaum noch anpacken. Wärme ja , Strom nein!. Dies ist das eigentliche Desaster. Beides muss zusammen funktionieren. Obwohl technisch auch aufgrund immer besserer Softwarelösungen gut machbar, wird eine Energiewende auf der Basis lokaler erneuerbarer Energien jedoch jetzt eher ausgebremst. Das strategische Ziel, dass der Strom für die Wärmepumpen der Kalten Nahwärmenetze, der Strom für neue Mobilität nahezu vollständig vor Ort erzeugt und gespeichert wird, rückt wieder ein Stück in der Ferne.
Lokale Projekte, die in Kommunen umgesetzt werden sind wesentliche Vorreiter der Transformation
Das vielgelobte Projekt „Modellsiedlung Juiser Feld“ der Stadtwerke Nettetal ist ebenfalls betroffen und liegt nach einem Wechsel der Geschäftsführung seit Februar 2025 praktisch auf Eis. Wir wurden als Berater aufgefordert unsere Leistung ruhen zu lassen.
Seit fast 30 Jahren betreuen wir immer wieder derartige Siedlungsprojekte, die mit dem Ziel gestartet sind, erneuerbare Energien vor Ort zu erzeugen und zu verteilen. Modellprojekte waren gefragt und wurden gefördert. Wir haben seitdem alle Veränderungen des Energierechts in der Projektpraxis mitgemacht. Erkennbar neu ist, dass die fachliche Suche nach gangbaren Lösungen keine Option mehr scheint. Das Aussetzen des Handelns ist zu einer akzeptablen Strategie der Risikominderung geworden. Wer von uns Stadtplanern zurecht Impulse zur Transformation erwartet und einfordern, dem sollte klar sein, dass Veränderung hat auch Risiken birgt.
Ganz persönlich fallen mir jetzt all die Geschäftsführer und Vordenker in kommunalen Unternehmen ein (und auch ein Pfarrer), die vor Ihrem Ruhestand mit Mut zur Transformation modellhafte Projekte in ihrer Region angeschoben haben und die wir dabei meist über mehrere Jahre dabei begleiten durften. Danke für’s Handeln. Danke für Mut und Vertrauen. Danke für das gemeinsame Suchen nach Lösungen, wenn es auch manchmal hart war.